Das Narren Schiff
Uns ist er gleich aufgefallen und hat uns
magisch angezogen. Ein verrückt angemalter
hundert Jahre alter Heringskutter ankerte
plötzlich in der Bucht von Mindelo. Nach einem
ersten Besuch auf dem Schiff wussten wir
auch warum: Es ist ein Schiff voller Narren
(https://www.azart.org/) . Während der
Maschinist, der wie ein Pirat angezogen war,
uns an Bord half, rezitierte der Kapitän, der
Eselsohren trug, ein 500 Jahre altes Gedicht über
Narren zur Begrüßung. Wir haben uns sofort wohl
gefühlt auf der M.S. Azart, dem Ship of Fools aus
Amsterdam. Kapitän August und seine internationale
Crew aus Verrückten erschienen uns wie aus dem
Foolsgarden Amsterdams der 1970 iger Jahren
wieder auferstanden zu sein.
Wir lernten, daß dieses Narrenschiff seit 28 Jahren
als Theater- und Eventschiff an Europas Küsten
navigiert und nun zu seinem letzten Akt aufgebrochen
ist, die ganze Welt zu bereisen. Kapitän und Crew
verstehen sich als Narren und sie üben sich in
täglicher Praxis der Unvernunft. Sie genießen ihre
Narrenfreiheit und machen aus ihrem Leben ein
theatrales Experimentierfeld über die Gestaltung der
Welt. Sie zelebrieren die Hochmesse des Nonsense als
Akt des Wiederstands zu den eng gesteckten und
nicht selbst gewählten Regularien dieser Welt.
Mit dem ersten Schritt an Bord ist man verzaubert
oder verschreckt. Man kann auf keinen Fall so sein
wie man immer ist: das ist hier nicht möglich. Etliche
schöne Stunden folgen: Wir essen, trinken, lachen, proben Musik und Theater zusammen und
philosophieren über die Figur des Narren und seine Funktion in dieser Welt.
Er meint
wenn er die Schellen schüttelt,
daß ihn der Tod als dann nicht rüttelt
Oder mit Pippi Langstrumpfs Worten: „Ich mach mir die Welt wie sie mir gefällt“.
Damit können wir was anfangen Set Smile.
Unsere Segelpause ist rum.
Wir hocken wieder auf unserem Segelboot Charlie,
das friedlich in Mindelo ( Kap Verden) am Anker
schaukelt. Vor einem halbem Jahr haben wir hier
unsere Segel- und Theaterreise mit einem schönen
Auftritt im Alaim Kulturzentrum im Rahmen eines
Kindertheaterfestivals beendet, um zuhause in
Deutschland wieder als ganz normale
Theaterlandtratten über Straßen und Bühnen
zu ziehen. Und nun durften wir Dank des
wunderbaren Mindelactfestivals wieder mit
einem schönen Auftritt unsere 10monatige
Segel-Theater-Reise beginnen. Im Rahmen
dieses internationalen Theaterfestivals
konnten wir einem tollen Workshop in
Clowntheater für die jungen Leute vor Ort
geben, der mit einer gemeinsamen
Performance in den Straßen Mindelos endete.
Unsere Schülerinnen waren natürlich
fantastische Clowns und haben ihr Publikum im
Lachsturm erobert. Am letzten Festivaltag
durften wir dann endlich unser eigenes Stück
spielen. Es war Grandios.
Eine Gage für unser Tun konnten wir freilich nicht erwarten, denn die Kap Verden
sind zu arm. Aber der Lohn, den wir hier am Ende bekamen, war viel mehr wert als
Geld. Eine alte Frau, die im Publikum unserem bunten Treiben zuschaute und mit
Lachen quittierte kam am Ende der Vorstellung auf uns zu und begann uns als Dank
für unser Spiel zu Segnen! Diese Frau hat uns ihre große Seele spüren lassen und
echten Segen auf uns gelegt, so sehr, das unsere Herzen weich wurden. Unglaublich.
Set Smile
Time Flow
Der Wind stimmt immer noch nicht. Es ist
zum Verrückt werden. Wir hatten mal
wieder diese Ungeduld. Soooooooo lange
schon sind wir in Mindelo. Seit mindestens
einer Woche sollten wir fort sein. Wie soll
denn unsere geplante 8000sm lange Reise
von den Kap Verden über Gambia in die
Karibik, von dort über die Bermudas und
Azoren zurück zu unserem Heimathafen
Povoa de Varzim / Portugal bis Ende August
geschafft sein, wenn wir schon von der
ersten Station nicht wegkommen? Das
Wetter stimmt nie. Es ist immer das Gleiche.
Ein Segelboot ist kein Auto und so sind wir
von der Natur abhängig und zum Warten
verdammt. Die Kap Verden sind kein leichtes
Segelgebiet, denn zwischen den Inseln gibt
es starke Strömungen die einen festhalten, Windbeschleunigungszonen bis zur
Sturmstärke, in denen Boote ihren Mast verlieren können und, wenn man nicht aufpasst,
drücken einen der starke Wind und die starke Strömung auf eines der vielen Riffe, die
die Kap Verdischen Inseln umgeben. Wir müssen darauf vertrauen, das alles zur
rechten Zeit passiert. Wir müssen uns quasi in einen Time Flow begeben. Endlich, der
Wetterbericht sieht gut aus, jetzt nicht zögern. Beim Anker auf ruft uns eine
erfahrene Seglerin zu: „ Wo wollt ihr denn hin, es weht doch ein falscher Wind!“ Jetzt
nicht hinhören, weitermachen, wir sind im Time Flow.
Das Warten auf den rechten Moment war richtig. Fast magisch wehten die Winde zur
rechten Zeit zur rechten Richtung. Wir konnten morgens sehr bequem in nordöstliche
aus dem Kanal von Sao Vicente heraussegeln, denn der magische Moment schenkte uns
dafür leichte südliche Winde. Das kommt hier an einem von hundert Tagen vor. Dann
drehte der Wind immer passend und niemals über 20 Knoten stark über Nord auf
Nordost, so dass wir ohne jegliche Gefahr vor Sao Nicolau auf Legerwall zu geraten, in
einem weiten Bogen auf unser Ziel zu, in die Bucht von Sal Rei auf Boa Vista, segeln
konnten. Nach dieser 30 stündigen Segeltour warfen wir glücklich den Anker. Na , geht
doch! Aber jetzt sind wir schon vier Tage hier und wollen bald los! Aber der
Wetterbericht sagt schon wieder völlig falsche Winde vorraus . Halt- wir befinden uns
im Time Flow. Grummel grummel . Alles zur rechten Zeit , grummel grummel. Set Smile